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AG Heidelberg: Cold Caller (unerwünschter Werbeanruf zur Kaltakquise) - Leugnen zwecklos

Das Amtsgericht Heidelberg hatte am 12.05.2017 über eine Standardausrede von werbenden Anrufern (Cold Callern) zu befinden: „Wir wissen von einem Anruf nichts“ bzw. „Wir wollten nichts verkaufen, sondern bei Ihnen Kunde werden“.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung werbender Telefonanrufe in Anspruch. Der Kläger erhielt einen Anruf der Beklagten, den er nicht entgegennehmen konnte. Eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter wurde nicht hinterlassen. Der Kläger tätigte daher einen Rückruf. Die Beklagte behauptete, der Geschäftsführer der Beklagten habe beim Rückruf des Klägers telefonisch zutreffend erklärt, er wisse nicht, worum es ginge. Es sei hingegen nicht zutreffend, dass er erklärt habe, man wolle Reinigungsdienstleistungen anbieten. Der Geschäftsführer der Beklagten habe das Telefonat weitervermittelt an den Mitarbeiter X, der gegenüber dem Kläger erklärt habe, er suche einen Anwalt für IT-Recht. Weil das Gespräch unfreundlich verlaufen sei, habe dieser aber von einer Beauftragung des Klägers abgesehen. Dies würdigte das Gericht nicht, wie vom Anrufer erhofft: Nach prozessualen Grundsätzen steht fest, dass der Anruf werbenden Charakter hatte und dass hierbei Dienstleistungen der Beklagten angeboten werden sollten. Denn diesbezüglich bestreitet die Beklagte in nicht zulässiger Weise mit Nichtwissen. Insoweit konnte offenbleiben, ob sich die entsprechende Erklärung mit Nichtwissen lediglich auf die Vergangenheit - nämlich den Zeitpunkt des Telefonats zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten - bezieht, weil es hinsichtlich des Charakters des Anrufs die einzige Erklärung der Beklagten ist. Soweit die Beklagte darstellt, der Geschäftsführer der Beklagten habe das mit dem Kläger auf dessen Rückruf hin geführte Telefonat an den als Zeugen benannten X weitervermittelt, ergibt der Beklagtenvortrag keinen Zusammenhang mit dem Anruf. Insbesondere wird nicht vorgetragen, X habe eben diesen Anruf getätigt, um den Kläger als Anwalt zu beauftragen. Das Bestreiten mit Nichtwissen stellt sich vorliegend als unzulässig dar. Über den Wortlaut der Norm hinaus werden sämtliche Vorgänge im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich den "eigenen" Handlungen bzw. Wahrnehmungen gleichgestellt. Weil der Anruf unstreitig vom Anschluss der Beklagten ausging, gehört er zu ihrem Geschäfts- und Verantwortungsbereich. Weil unstreitig zwischen den Parteien vor dem Anruf keinerlei (Vertrags-) Beziehung bestand und der Kläger auch nicht in irgendeiner Weise in entsprechende Anrufe eingewilligt hatte, liegt eine unzulässige Kaltakquise vor, gegen die sich der Kläger zur Wehr setzen kann. Die Kaltakquise stellt sich als vorsätzliche unerlaubte Handlung dar, was das Gericht auf Antrag des Klägers festzustellen hatte. Das Verhalten ihrer Mitarbeiterin muss sich die Beklagte zurechnen lassen.

Hiergegen ging das werbende Unternehmen in Berufung. Doch das Landgericht schrieb ihm, dass diese keinerlei Aussicht auf Erfolg habe, da selbst wenn man ihre Sachverhaltsversion unterstelle, der klägerische Anspruch begründet sei.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger am 21.09.2016 einen Anruf von der Telefonnummer der Beklagten, welchen er nicht entgegennahm, erhielt. Im Verfahren 1. Instanz bestritt die Beklagte den werbenden Charakter des Anrufs, trug hierzu jedoch lediglich vor, dass ihr nicht bekannt sei, aus welchen Gründen der Anruf beim Kläger erfolgt sei. Weiterer Vortrag hierzu erfolgte seitens der Beklagten auch nach dem diesbezüglichen richterlichen Hinweis im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO fraglich erscheine, ob die Beklagte in zulässiger Weise bestreite, nicht. Der richterliche Hinweis wurde auch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht "pauschal und unverständlich allgemein" erteilt, sondern konkret im Hinblick auf den bisherigen Vortrag der Beklagten. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Wie das Amtsgericht im Urteil vom 12.05.2017 zutreffend ausführt, werden sämtliche Vorgänge im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich den "eigenen" Handlungen bzw. Wahrnehmungen gleichgestellt. Die Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigungen anstellen. Aus dem richterlichen Hinweis ergab sich daher unmissverständlich, dass die Einlassung der Beklagten, wonach ihr der Grund für den Anruf beim Kläger nicht bekannt war, als unzulässig zu werten sein könnte, wie dies dann zutreffend vorgenommen wurde. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt und unter Beweis stellt, dass der Anruf beim Kläger von dem Zeugen Kubilay Özdemir initiiert worden sei, weil dieser einen auf das Internetrecht spezialisierten Rechtsanwalt gesucht habe, ist dieser Vortrag in der Berufungsinstanz verspätet, § 531 Abs. 2 ZPO. Es nützt also nichts Gefälligkeitszeugen zu spät zu benennen und zunächst zu hoffen, diesen eine Lüge ersparen zu können.

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© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2017