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Vereinsrecht: Anforderungen an ein Vereinsgerichtsverfahren

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat mit Urteil vom 14.12.2011 zu Fragen des Rechtes von Vereinen, Mitglieder auszuschließen, Stellung genommen.

Die Parteien des Rechtsstreits, ein Verein und eines seiner Mitglieder, streiten über die Wirksamkeit von Entscheidungen des Vereinsgerichts der Beklagten und des Vereinsgerichts zweiter Instanz der Beklagten. Bei der Teilnahme des Klägers an Rassehundezuchtschauen im Jahr 2009 in kam es zu Unregelmäßigkeiten bei der Meldung der Hunde des Klägers. Hierauf leitete der Beklagte ein vereinsrechtliches Disziplinarverfahren ein, in welchem der Kläger verwarnt wurde. Darüber hinaus wurde dem Kläger verboten, für die Dauer von einem Jahr Ämter im Verein auszuüben; auch hatte er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Kläger legte gegen die Entscheidung erfolglos Einspruch zum den Ehrenrat zweiter Instanz ein und erhob in der Folge - ebenso erfolglos - Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Entscheidungen vor dem AG Rüsselsheim.

Der angerufene Ehrenrat des Beklagten war gemäß der Satzung des Beklagten in Verbindung mit der Ehrenratsordnung für Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder zuständig.
Ein Verfahrens- bzw. Formangel wieß das erstinstanzliche Verfahren vor dem Ehrenrat nicht auf. Insbesondere ist die Entscheidung hinreichend begründet. In ihrer Form entspricht die Entscheidung weitgehend den an ein gerichtliches Urteil zu knüpfenden Voraussetzungen. Die Entscheidung enthält einen Tatbestand, in dem der Sachverhalt gedrängt dargestellt ist. Weiterhin weist sie Entscheidungsgründe auf, in deren Rahmen das dem Kläger vorgeworfene Verhalten unter die vom Ehrenrat für maßgeblich gehaltenen Satzungsvorschriften subsumiert wird. Ein Fehler in der Beweiswürdigung ist nicht zu erkennen. Der Ehrenrat hat in seiner Entscheidung in zulässiger Weise auf die Einlassung des Klägers Bezug genommen und hierzu ausgeführt, dass er einen Satzungsverstoß des Klägers für erwiesen ansehe. Dies reicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Ehrenrat erster Instanz ausweislich der Ehrenratsordnung nicht zwingend durch Volljuristen besetzt werden muss, sondern auch durch Laien besetzt werden kann, aus. An die Mitteilung von Gründen sind nicht die strengen Anforderungen zu stellen wie an Urteile staatlicher Gerichte.

Die Disziplinarentscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Die Satzung des Beklagten sieht bei „sonstigen Zuwiderhandlungen“ die Ordnungsmaßnahmen der Verwarnung sowie des Verbots, auf Zeit ein Amt im Verein oder seinen Untergliederungen wahrzunehmen, vor. Ein Verstoß gegen eine Vereinsordnung ist vorliegend nicht zu erkennen. Der Beklagte hat allerdings eine „sonstige Zuwiderhandlung“ im Sinne der Satzung des Beklagten begangen. Diese sieht vor, dass der Beklagte Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder ergreifen kann, wenn ein Mitglied den allgemein anerkannten Bräuchen des Hundesports oder Grundsätzen sportkameradschaftlichen Verhaltens schuldhaft zuwiderhandelt. Eine entsprechende Verpflichtung des Mitglieds sieht auch die Satzung vor; es kommt indessen auf eine ausdrückliche Verweisung auf diese Vorschrift nicht an. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Grundsätze sportkameradschaftlichen Verhaltens“ genügt den an ihn zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen. Die Verwendung von generalklauselartigen Formulierungen in Vereinssatzungen ist unter Berücksichtigung einer vereinseigenen „Sondermoral“, die bei der Auslegung des Begriffes durch vereinsinterne Spruchkörper heranzuziehen ist, nicht zu beanstanden. Höhere Anforderungen an Vereinsatzungen wären überzogen; für vereinsinternes Recht gelten nicht die strengen Grundsätze des Strafrechts.

Der Beklagte hat jedenfalls den Grundsätzen sportkameradschaftlichen Verhaltens zuwidergehandelt, indem er bei ausländischen Hundeschaün mit Hunden an Wettbewerben teilgenommen hat, für welche die Tiere aufgrund ihres Alters nicht zugelassen waren. Die unberechtigte Teilnahme an Wettbewerben mit hierfür nicht zugelassenen Tieren entspricht nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht den an ein sportkameradschaftliches Verhalten zu stellenden Anforderungen. In diesem Zusammenhang hilft es nicht, dass die ausgestellte Hündin am zweiten Tag der Ausstellung das erforderliche Mindestalter erreicht hat.

Durch das Verhalten des Klägers wurde auch die Rechtssphäre des Beklagten berührt. Zwar fanden die Wettbewerbe nicht in Deutschland statt, das Verhalten von Mitgliedern des Beklagten bei Sportveranstaltungen anderer (National-)Verbände ist aber grundsätzlich durchaus geeignet, nachteilige Wirkungen zulasten des Vereins als Ganzen - insbesondere durch Reputationsschäden - zu entfalten.

Ein Verschulden des Beklagten ist ebenfalls gegeben. Der Beklagte hat bei den Meldungen seiner Tiere für die genannten Wettbewerbe jedenfalls fahrlässig gehandelt, da er bei den Meldungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Es wäre von ihm - auch bei einer Vielzahl von Meldungen im Jahr - zu erwarten gewesen, diese stets sorgfältig und korrekt auszufüllen bzw. auf bemerkte Fehler hinzuweisen. Der Kläger hatte selbst eingeräumt, dass er die Meldungen zu flüchtig und fehlerhaft erstellt habe, was nach seiner eigenen Einschätzung nicht hätte passieren dürfen.

AG Rüsselsheim, 3 C 1698/11, Urteil vom 14.12.2011

© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2012