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Vereinsrecht - Verwirkung von Mitgliederrechten

Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 11.11.2010, AZ: 1 O 256/10 im Rahmen einer Klage gegen eine Leistungsrichterernennung Gelegenheit zu der Frage Stellung zu beziehen, wann ein Mitglied Rechte gegen seinen Verein verliert, wobei dann die Frage, ob der Verein richtig gehandelt hat, nicht mehr erheblich ist.

Der Beklagte ist ein Rassehund-Zuchtverein im Sinne der Satzung des Vereins für das Deutsche Hundewesen (VDH). Der Kläger ist aktives Mitglied bei dem Beklagten. Der Kläger nimmt als aktiver Hundesportler mit seinen Hunden regelmäßig an Leistungsprüfungen des Beklagten teil.

Die Leistungsprüfungen werden von einem, von dem Beklagten zugelassenen und ausgebildeten Leistungsrichter, abgelegt. Neben den erforderlichen Qualifikationen und persönlichen Voraussetzungen eines Leistungsrichters nach der Leistungsrichter-Ordnung des Beklagten, die Bestandteil der Satzung des Beklagten ist, wird der Leistungsrichter vom Vorstand des Beklagten zunächst zum Leistungsrichteranwärter ernannt und sodann nach seiner Ausbildung zum Leistungsrichter zugelassen. Leistungsrichteranwärter werden gem. der Leistungsrichter-Ordnung nach Prüfung der Bewerbungsunterlagen, einer schriftlichen und mündlichen Prüfung zur Kynologie, den Prüfungsordnungen und der Struktur des Hundewesens, einer Einweisung in die Tätigkeiten des Leistungsrichteranwärters, einer Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift und nach Ablauf einer vierwöchigen Widerspruchsfrist durch Vorschlag des Obmann der Leistungsrichter vom Vorstand des Beklagten zugelassen. Gem. Ziffer 2 der Leistungsrichter-Ordnung werden die Leistungsrichteranwärter nach Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift und nach Ablauf der vierwöchigen Widerspruchsfrist zugelassen. Im Ausgabe Januar 2009 der Vereinszeitschrift stand unter Mitteilungen des Vorstandes Als Leistungsrichter-Anwärter wurden zugelassen S und J Weitere Veröffentlichungen zu Ernennung des S und des J zu Leistungsrichteranwärter fanden nicht statt. Gegen die Ernennung von Herrn J legte der Kläger mit E-Mail vom 02.04.2009 Widerspruch ein. Gegen die Ernennung von Herrn S protestierte die Tochter des Klägers mit Schreiben vom 14.01.2009. Dem Widerspruch der Tochter des Klägers wurde mit Schreiben vom 24.02.2009 zunächst entsprochen, später wurde der Widerspruch vom Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen protestierte die Tochter des Klägers mit Schreiben vom 26.02.2009. Der Widerspruch des Klägers gegen die Ernennung des Herrn J als Leistungsrichteranwärter wurde mit Schreiben vom 07.05.2009 vom Beklagten als nicht fristgerecht zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 15.06.2009 wandte sich der Kläger an den Ehrenrat der Landesgruppe Berlin mit der Bitte um Überprüfung des Sachverhalts betreffend Herrn J. Der Ehrenrat der Landesgruppe Berlin erklärte sich mit Schreiben vom 07.07.2009 für unzuständig. Am 03.08.2009 erhob der Kläger Klage vor dem Ehrenrat II. Instanz des Beklagten. Der Kläger beantragte erfolglos, festzustellen, dass der Vorstandsbeschluss des Beklagten betreffend die Ernennung und Berufung der Leistungsrichteranwärter S und J nichtig sei. Weiter strebte der Kläger die Feststellung an, dass die von J und S seit Januar 2009 erworbenen Leistungsrichteranwartschaften unwirksam seien. Der Kläger begehrte auch die Unterlassung S und J zu Leistungsrichter auszubilden. Herr S und Herr J wurden auf der Vorstandssitzung vom 24. und 25.09.2009 als Leistungsrichteranwärter zugelassen und zwischenzeitlich zu Leistungsrichtern ernannt.

Zwar ist ein Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 ZPO an einer gerichtlichen Überprüfung des Vorstandbeschlusses ist nach Erschöpfung des vereinsinternen Rechtsweg zu bejahen. Der Kläger hat sein Recht auf Überprüfung des Vereinsbeschluss aber durch nicht fristgerechte eingelegte vereinsinterne Rechtsmittel gegen die Ernennung beider Leistungsrichteranwärter verwirkt.

Die Veröffentlichung war auch nicht fehlerhaft. Eine Vorgabe in der Leistungsrichter-Ordnung oder in der Satzung über Form und Inhalt der Veröffentlichung existiert nicht. Hierbei ist unerheblich, wie der Beklagte nach der streitgegenständlichen Veröffentlichung die weiteren Veröffentlichungen der Leistungsrichteranwärter gestaltete und formulierte. Veröffentlicht wurde nach dem Wortlaut der Anzeige die Zulassung des Herrn S und des Herrn J als Leistungsrichteranwärter. Auch wenn der Wortlaut der Veröffentlichung möglicherweise missverständlich war und im Jahre 2004 der Wortlaut einer solchen Veröffentlichung hiervon abweichend auf die Bewerbung als Leistungsrichteranwärter abstellte und die Einspruchsfrist erwähnte, so sieht die Leistungsrichter-Ordnung nur eine einzige Veröffentlichung vor der Zulassung der Bewerber vor, so dass nach dem objektiven Empfängerhorizont die Mitglieder des Beklagten davon ausgehen mussten, dass mit dieser Veröffentlichung den Mitglieder das Recht zum Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist zusteht. Es ist insoweit ausreichend, dass die Mitglieder mit der Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung eines Widerspruchsrechts erhielten. Eine ständige Übung, welche einen hiervon abweichenden objektiven Erklärungswert der Veröffentlichung nach §§ 133, 157 BGB zulassen würde, hat der Kläger bei der Veröffentlichung der Leistungsrichteranwärter nicht dargelegt. Unabhängig von einer, nach der Leistungsrichter-Ordnung nicht erforderlichen Information und Belehrung über ein 4-wöchiges Widerspruchsrecht, war dem Kläger auch nach eigenem Vortrag bekannt, dass ihm mit der Veröffentlichung ein 4-wöchiges Widerspruchsrecht zustand, so führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung aus, dass er in Absprache mit seiner Tochter, welche fristgemäß mit Schreiben vom 14.01.2009 Widerspruch gegen die Ernennung des Herrn S einlegte, parallel Widerspruch gegen Herrn J eingelegt habe. Er habe von Anfang an gegen beide Ernennung Einwände gehabt und rechtlich vorgehen wollen und in Absprache mit seiner Tochter gehandelt. Auch erklärte der Kläger, dass er zunächst den vereinsinternen Rechtsweg ausschöpfen wollte und daher zunächst Widerspruch und sodann Klage beim Ehrenrat II. Instanz eingelegt habe. In Kenntnis seiner Rechte rügte der Kläger sodann auch in seinem Schreiben vom 02.04.2009 ein fehlendes Widerspruchsrecht aufgrund einer fehlenden oder fehlerhaften Veröffentlichung oder eine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits erfolgten Zulassung nicht und legte auch nicht nur vorsorglich Widerspruch ein. Im Hinblick auf den Widerspruch der Tochter gegen die Ernennung von Herrn S und den Widerspruch des Kläger gegen die Ernennung von Herrn J ist das Gericht aus den dargelegten Gründen der Auffassung, dass der Kläger in Kenntnis seines Widerspruchsrechtes handelte und mit einer nicht fristgerechten Einlegung gegen die Ernennung des Herrn J und eines fehlenden Widerspruchs gegen die Ernennung des Herrn S sein Recht auch Klage verwirkte.

Aber auch wenn man der Einlassung des Klägers folgen würde, was aufgrund des Wortlauts der Veröffentlichung wurden zugelassen denkbar wäre und die Veröffentlichung an Fehlern leiden würde und eine Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt hätte, wäre sowohl der Widerspruch 2,5 Monate nach Kenntnis der Veröffentlichung gegen die Ernennung des Herrn J als auch die knapp 8 Monate später erhobene vereinsinterne Klage gegen beide Leistungsrichteranwärter nicht rechtzeitig erklärt. Die Rechtsmittel stellen sich angesichts der Umstände vielmehr als illoyale Rechtsausübung dar, die gem. § 242 BGB zur Unwirksamkeit nach dem Rechtsinstitut der Verwirkung führt. Das legitime Interesse des Vereins an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, das auch für jedes Vereinsmitglied erkennbar ist und aufgrund der Treuepflicht von dem Kläger berücksichtigt werden muss, lässt es als sachgerecht erscheinen, dass die rechtliche, Wirksamkeit von Vereinsmaßnahmen innerhalb angemessener, jedenfalls aber beschränkter Zeit einer Klärung zugeführt wird. Das Widerspruchsrecht, als auch der vereinsinterne Rechtsweg selbst dient nicht alleine dem Mitgliederschutz, sondern auch der Rechtssicherheit des Beklagten. Nach Ablauf einer angemessenen Frist kann er davon ausgehen, dass die vorgenommenen Bewertungen durch die Leistungsrichteranwärter nicht mehr durch Unwirksamkeit der Ernennung rückwirkend erlöschen. Unterlässt das Mitglied dies, kann der Verein annehmen, dass das Mitglied die Vereinsmaßnahme akzeptieren und nicht mehr dagegen vorgehen will. Ein gleichwohl später erhobenes vereinsinternes Rechtsmittel als auch eine Klage vor den ordentlichen Gerichten, steht dann der Einwand der Verwirkung entgegen. Auch die vereinsinterne Erhebung einer Feststellungsklage kann wie die gerichtliche Feststellungsklage nicht unbegrenzt erhoben werden. Die Ungültigkeit von Vereinsbeschlüsse kann zwar durch eine grundsätzlich nicht fristgebundene Feststellungsklage geltend gemacht werden. Aufgrund des legitimes Interesses des Vereins an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, welches von den Mitgliedern aufgrund ihrer Treuepflicht zu berücksichtigen ist, ist es jedoch erforderlich, dass die rechtliche Wirksamkeit von Vereinsmaßnahmen innerhalb angemessener, jedenfalls aber beschränkter Zeit einer Klärung zugeführt wird. Dies gilt sowohl für die gerichtliche Geltendmachung als auch für die vereinsinternen rechtlichen Möglichkeiten, soweit der Verein selbst keine Fristen zur Erhebung einer Klage setzt oder eine Widerspruchsfrist aufgrund einer fehlerhaften Veröffentlichung nicht in Gang gesetzt wird. Gründe, warum der Kläger die Unwirksamkeit der Ernennung des Herrn S erst nach acht Monaten geltend macht, sind nicht ersichtlich. Beide Leistungsrichteranwärter wurden in der gleichen Ausgabe veröffentlicht. Zudem wandte sich der Kläger in seinem Schreiben nicht gegen die Ernennung des Leistungsrichteranwärters Herrn S sondern rügte nur die Zulassung des Herrn J als Leistungsrichteranwärter. Zwar enthält die Satzung des Beklagten weder eine Regelung, wann ein Widerspruchsrecht auch im Falle einer fehlerhaften Veröffentlichung spätestens geltend zu machen ist, noch eine Fristbestimmungen für eine vereinsinterne Feststellungsklage, jedoch kann der Regelung einer 4-wöchigen Widerspruchsfrist entnommen werden, dass nach der Leistungsrichter-Ordnung, die Teil der Satzung des Vereins ist, ein Schwebezustand bezüglich der Rechtswirksamkeit von Vereinsmaßnahmen, der regelmäßig zu Lasten der Klarheit und der Rechtssicherheit geht, möglichst kurz bemessen werden soll. Eine solche Fristbemessung entspricht im Übrigen auch den Rechtsbehelfsfristen, die in den Verfahrensordnungen für die staatlichen Gerichte niedergelegt sind. Der Umstand, dass ein Verein ein sozialer Organismus mit einem dynamischen, sich stets verändernden Eigenleben ist, nötigt dazu, mit lange zurückwirkenden kassatorischen Eingriffen in Verbandsentscheidungen Zurückhaltung zu üben. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn das rechtsuchende Mitglied sehr viel früher in zumutbarer Weise hätte Klage erheben können, und seine Interessen und Rechte durch die alten Beschlüsse nicht in gravierender Weise beeinträchtigt werden. Der Kläger hätte auch im Falle, dass er aufgrund des Wortlauts der Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift von einer im Januar 2007 erfolgten Zulassung der Leistungsrichteranwärter ausging und damit von einem verfahrenswidrigem Verkennen des bestehenden Widerspruchsrechts der Mitglieder, sehr viel früher den vereinsinternen Rechtsweg beschreiten müssen.

Nur am Rande bemerkte das Gericht noch, dass der Kläger zudem durch die Ernennung beider Leistungsrichteranwärter nicht gravierend in seinen Rechten beeinträchtigt werde. Da im Hinblick auf die internen Auseinandersetzung nachvollziehbar weder von dem Beklagten noch von den beiden Leistungsrichtern Herrn S und Herrn J eine Durchführung von Prüfungen in der Ortsgruppe des Klägers gewollt sind, würde der Kläger allenfalls bei Nachbargruppen bei Prüfungen auf die streitigen Leistungsrichter treffen. Dem Kläger steht es frei seinen Hund durch andere Leistungsrichter des Beklagten oder durch solche des beurteilen zu lassen. Insoweit führte der Beklagte substantiiert aus, dass den Mitgliedern vorab bei anstehenden Leistungsprüfungen die ausführenden Leistungsrichter mitgeteilt werden, so dass der Kläger entscheiden kann, ob er an den Prüfungen teilnimmt oder diese zu einem späteren Zeitpunkt durch einen anderen Leistungsrichter abnehmen lässt. Hierdurch wird der Kläger nicht gravierend in seinen Mitgliederrechten beschränkt, da eine Vielzahl von Prüfungen zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten durchgeführt werden und der Kläger die Prüfungen in seiner Ortsgruppe von anderen Leistungsrichtern abnehmen lassen kann.

© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2012